Grain Whisky
Dieser Artikel hat folgende Abschnitte:
- Wer macht die Regeln für Whisky?
- Was ist eigentlich Grain Whisky?
- Welche Charakteristika werden Grain Whisky zugeschrieben?
- Warum fristet Grain Whisky ein Schattendasein?
- Was meinst Du?

Wer macht die Regeln für Whisky?
Grain oder genauer Cereal Grain ist das englische Wort für Getreidekorn, oder? Stimmt. Doch wenn es wie hier um Whisky geht, dann werden die Unterscheidungen sehr schnell feiner.
Im von vielen Whisky-Fans gelobten Land des Whiskys Schottland regelt die Scotch Whisky Association (SWA) die Vorgaben und Begrifflichkeiten. Nach eigenen Angaben[1] beschäftigt sich die SWA zu jedem Zeitpunkt mit mindestens 60 Fällen von möglichen Verstößen bezüglich des geschützten Begriffs Scotch Whisky.
Anderswo gibt es natürlich durchaus eigene Regeln. So dürfen Brennereien in den USA ihren Whiskey bereits als Single Malt bezeichnen, wenn die verwendeten Maische-Zutaten (“Mash Bill”) mindestens aus 51 Prozent gemälzter Gerste bestehen.
Wir beschäftigen uns in diesem Artikel aber der Übersicht halber mit den Regelungen für Schottland und Irland. Dort ist sind Herstellung, Vermarktung und Export des Getreidedestillats besonders streng geregelt.
Die SWA überwacht dabei als Handelsorganisation den globalen Markt und vertritt die Interessen der für Schottlands Export wichtigen Whisky-Industrie weltweit. Selbiges gilt für die Irish Whisky Association (IWA), einem Teil des größten Wirtschaftslobby- und Interessenverbands Irlands: Ibec[2].
Begriffe | IWA- bzw. SWA-Vorgaben (Stand 2021) |
---|---|
IRLAND (IWA) | |
Malt Irish Whiskey | 100 % gemälzte Gerste, getorft oder ungetorft. Natürliche, enzymatische Verzuckerung. Brauen, Fermentation und Destillation an einem Ort. Zwei- oder dreifach destilliert auf maximal 94,8 % Vol. auf einer Pot Still |
Pot Still Irish Whiskey | Mindestens 30 % gemälzte, ungetorfte Gerste und mindestens 30 % ungemälzte Gerste. Maximal 5 % anderes Getreide. Natürliche, enzymatische Verzuckerung. Brauen, Fermentation und Destillation an einem Ort. Zwei- oder dreifach destilliert auf maximal 94,8 % Vol. auf einer kupfernen Pot Still |
Grain Irish Whiskey | Maximal 30 % gemälzte Gerste, zusätzlich anderes Getreide im vollen Korn. Natürliche, enzymatische Verzuckerung. Brauen, Fermentation und Destillation an einem Ort. Zwei- oder dreifach destilliert auf maximal 94,8 % Vol. auf einer Column Still |
Irish Whiskey | Gemälztes Getreide mit oder ohne vollem Korn. Natürliche, enzymatische Verzuckerung. Brauen, Fermentation und Destillation an einem Ort. Zwei- oder dreifach destilliert auf maximal 94,8 % Vol. |
SCHOTTLAND (SWA) | |
Single Malt Scotch Whisky | Einzelne Brennerei, Wasser und gemälzte Gerste, ohne anderes Getreide, Kupferbrennblasen |
Single Grain Scotch Whisky | Einzelne Brennerei, Wasser und gemälzte Gerste, mit oder ohne anderes Getreide, erfüllt nicht die Definition von Single Malt Scotch Whisky |
Blended Grain Scotch Whisky | Blend aus Single Grain Scotch Whiskies aus mehr als einer Brennerei |
Blended Malt Scotch Whisky | Blend aus Single Malt Scotch Whiskies aus mehr als einer Brennerei |
Blended Scotch Whisky | Blend aus einem oder mehr Single Malt Scotch Whiskies mit einem oder mehr Single Grain Scotch Whiskies |
Quellen: Irish Whisky Association, Scotch Whisky Association
Stand: Ende 2021
© Whisky-Fakultät 2022
Was ist eigentlich Grain Whisky?
Wir versuchen es zunächst ohne die Definition von Single Malt Scotch Whisky.
Grain Whisky kann also als Sammelbegriff für die Stile Single Grain Scotch Whisky und Blended Grain Scotch Whisky gesehen werden. Zusätzlich trifft der Begriff auf Blended Scotch Whisky zu, sofern er mindestens einen Single Malt und einen Single Grain Scotch Whisky beinhaltet.
Dabei muss Single Grain Scotch Whisky in einer einzigen Brennerei (nicht aber aus nur einer Sorte Getreide!) destilliert sein. Er darf dabei aus Wasser und gemälzter Gerste, mit oder ohne dem vollen Korn weiterer Getreidesorten hergestellt werden. Ob diese weiteren Getreidesorten gemälzt oder ungemälzt sind, spielt dabei für die Benennung keine Rolle. Als letztes Kriterium gilt in aller Regel, dass er die Definition von Single Malt Scotch Whisky nicht erfüllen muss.
Blended Grain Scotch Whisky besteht hingegen aus Single Grain Scotch Whiskies aus mindestens zwei Brennereien.
Alles klar…? Nein? Keine Sorge! Unter Hinzunahme der Definition von Single Malt Scotch Whisky kann es etwas einfacher formuliert werden:

Schottischer und irischer Single Malt Whiskey muss auf einer Brennblase aus Kupfer und aus Maische produziert werden, die ausschließlich aus gemälzter Gerste, Wasser und Hefe besteht. Whisky, der nicht auf einer solchen Brennblase gebrannt wurde oder dessen Mash Bill (auch) andere Getreidesorten beinhaltet, heißt Grain Whisky.
Wir haben uns also die Definition von Grain Whisky schon mal erarbeitet. Zeit, um sich wieder mehr dem eigentlichen Genuss zu widmen. Schließlich werden sich viele, die diesen Artikel lesen, vor allem mit dem Verriechen und Verkosten von Whisky zu Hause oder bei Tastings beschäftigen.
Welche Charakteristika werden Grain Whisky zugeschrieben?
Die meisten Whisky-Interessierten im deutschsprachigen Raum, die tiefer in die Materie einsteigen, beschäftigen sich zunächst wohl hauptsächlich mit Malt Whisky. Da bietet sich also die Frage an, welche Charakteristika überhaupt dem Malt Whisky zugeschrieben werden. Natürlich gibt es dabei große Unterschiede.
Sommelière Amanda Schuster beschreibt aber die gemeinsamen Grundzüge von Malt Whisky so: “[…] they all share a roasty, toffee-flavored cereal quality.” Zumindest leichte, ungetorfte Single Malt Whiskies haben also die Eigenschaften von Röstaromen und mit Sahnebonbons aromatisiertem Getreide gemeinsam, schlägt sie als gemeinsamen Nenner vor. Nun gut, ich vermute, es gibt da mindestens so viele Ansichten wie Malt-Whisky-Fans. Aber wir haben zumindest eine gemeinsame Grundlage.
Allen, die des Englischen mächtig sind, kann ich Amandas Artikel “How Different Grains Affect The Taste Of Your Whiskey” auf distiller.com von 2017 wärmstens empfehlen. Sie geht dort ausführlich auf die geschmacklichen Einflüsse verschiedener Grain-Varianten bei der Herstellung von Whisky ein.
Aber weiter im Text. Wir sind immer noch in Schottland und Irland. In Schottland muss Malt Whisky zu 100 Prozent aus gemälzter Gerste gemaischt und auf kupfernen Pot Stills gebrannt werden.[3] Das irische Äquivalent, der Pot Still Whiskey, muss aus einem Gemisch aus mindestens 30 Prozent gemälzter Gerste und 30 Prozent ungemälzter Gerste in einer Kupferbrennblase destilliert werden und die Mash Bill darf maximal 5 % anderes ungemälztes Getreide enthalten.
Wir haben also einen Unterschied zwischen irischem Grain Whiskey und schottischem Grain Whisky entdeckt, der sich zumindest potentiell auf die zu erriechenden und erschmeckenden Charakteristika auswirkt. Denn schottischer Whisky hieße aus diesem Grund bereits ab dem ersten Körnchen anderen Getreides neben Gerste “Grain Whisky”.
Gemeinsam haben Grain Whiskies aus beiden Whisky-Nationen wiederum, dass sie in aller Regel auf Column Stills (engl. Säulen-Destillerien) gebrannt werden. Diese werden manchmal auch Coffey-Stills (nach dem vermeintlichen Erfinder des Prinzips) genannt und erlauben die idealerweise unterbrechungsfreie (industrielle) Destillation – im Gegensatz zu traditionellen Kupferbrennblasen. Die Iren und Schotten nennen das Continuous Distillation.
Dabei produzieren die großen Destillerien normalerweise in riesigen Mengen für die Blend-Industrie. Dort wird der geschmacklich verhältnismäßig zurückhaltende Grain Whisky als mengenmäßige Grundlage verwendet. Diese geschmackliche Neutralität (“neutral spirit”) erhält er auch durch die im Vergleich zu Malt Whisky relativ hohe Alkoholstärke, auf die destilliert wird. Unter Hinzugabe meist mehrerer Malt Whiskies kreieren die Master Blender dann möglichst konsistent ihren Blended Whisky. Dieser wird dann unter Marken wie Johnnie Walker, Chivas Regal oder Ballantine’s vertrieben.

“Verhältnismäßig neutral?”, denken sich jetzt vielleicht manche, die schon verschiedene Grain Whiskies probiert haben. Denn einigen Tasterinnen und Tastern wird eine gewisse Klebstoff- oder Lösungsmittelnote aufgefallen sein, die Grain Whisky häufig zugeschrieben wird. Der einen gefällt das, dem anderen nicht. Prinzipiell lässt sich aber die Faustregel erkennen, dass die Klebstoffnote schwindet, je länger ein Grain Whisky im Fass verbringt.
Wir haben mit den “Grains” also Whiskies, denen eine lange Fassreifung meist gut bekommt, so die meinem Eindruck nach mehrheitliche Ansicht. Das heißt aber auch, dass die verwendeten Fässer bei einem guten Ergebnis nach 20, 30 oder mehr Jahren Lagerzeit nicht die aktivsten gewesen sein werden, also auch nicht unbedingt Erstbefüllungen nach intensiver Vorbelegung.
Klar ist aber auch, dass Grain Whiskies, die heute im Jahr 2022 dieses Alter tragen, damals nicht unbedingt mit der Absicht ins Fass gebracht wurden, einmal als Single Grain Single Cask Whisky abgefüllt zu werden. Das könnte sich in Abetracht der immer weiter steigenden Preise für Single Malt Whisky aber vielleicht in den nächsten Jahren ändern.
Wir fassen zusammen: Gemein haben Grain Whiskies also in ihrer Charakteristik erst einmal nur eine gewisse Neutralität aufgrund des hohen Destillationsgrades. Anders gesagt sind sie also geschmacklich dezenter im Vergleich zu Pot Still Whiskey bzw. Single Malt Whisky. Und ja, erst einmal diese Klebstoffnote, die sich im Laufe der Jahre immer mehr vertut. Ältere Grain Whiskies könnte man also als die zurückhaltenden Besonnenen unter den Whiskies bezeichnen.
Natürlich ist das meine ganz persönliche Sicht und das Schöne an unserem Hobby ist ja, dass wir ein- und denselben Whisky alle ein wenig anders erleben. Prima also, um sich darüber auszutauschen beim gemeinsamen Whisky-Tasting! Deshalb hier zwischendurch ein kleiner Hinweis auf unser Tasting.
VERANSTALTUNGSHINWEIS: Coffee and Grain Whisky Tasting [ansehen]

Schon mal 46 Jahre alten Grain Whisky probiert? Mach mit!
Warum fristet Grain Whisky ein Schattendasein?
Zu guter Letzt bleibt noch eines zu klären: Im Jahr 2022 explodierenden weiter die Preisen bei vielen Malt Whiskies. Warum fristet Grain Whisky als unter diesem Namen vermarktetes Produkt immer noch solch ein Schattendasein?
Dazu könnten folgende Vermutungen angestellt werden:
Er wird oft nicht so genannt. Grain Whisky macht zwar den Löwenanteil am schottischen Whisky-Exportvolumen aus. Jedoch fließt das meiste, nämlich laut SWA etwa 68 Prozent davon, in Produkte, die unter dem Namen Blended Scotch Whisky vermarktet werden. Außerdem nennen einige Hersteller ihren Whisky lieber beim verwendeten Korn, also “Rye-Whiskey” oder “Oat Whisky” – wahrscheinlich auch, weil sich das besser vermarkten lässt.
Grain Whisky haftet der Ruf als billiges Massenprodukt an. Genussmenschen suchen aber oft das Besondere, vielleicht Seltene. Und tatsächlich macht Single Malt Scotch Whisky nur zehn Prozent des Exportvolumens aus.
Blends legen erst nach und nach ihren schlechten Ruf ab. Trotz wirklich hervorragender Blended Whiskies – die Herstellung ist sicher eine Kunst für sich – haben Blends bei vielen immer noch einen schlechten Ruf á la Jacky Cola. “Mit Cola geht alles” ließt man regelmäßig in den einschlägigen Online-Whisky-Gruppen bei dem Thema. Und das färbt auf den Grain Whisky als Hauptbestandteil der meisten Blended Whiskies ab. Doch die Stimmung ändert sich und Blends erholen sich mit immer besseren Releases und findigen Abfüllern von ihrem teils schlechten Ruf.
Das Prinzip “Hab ich einen probiert, kenne ich alle!” Natürlich ist das nur meine persönliche Erfahrung. Doch fast alle Whisky-Fans, mit denen ich spreche, haben sich bisher kaum durch die Welt der Grain Whiskies probiert. Einige haben vielleicht sogar noch recht junge Exemplare verkostet, bei denen die Klebstoffnote noch besonders dominant sein kann. Möglicherweise lohnt es sich hier, sich noch ein wenig weiter umzuschauen.
Was meinst Du?
Ob man Malt Whisky im Hinblick auf das insgesamt immens gestiegene Produktionsvolumen noch als das besondere Kleinod gegenüber dem Grain Whisky betrachten will, bleibt allen selbst überlassen. Das Schöne ist, wir können über dieses Thema ganz wunderbar philosophieren – als Whisky-Nerds selbstverständlich respektvoll und freundlich!
Also was meinst Du? Woran liegt das Schattendasein des Grain Whiskys? Wird sich die Lage absehbar ändern? Liebst Du vielleicht sogar gerade den dezenten Grain als Single Grain Whisky?
Ich bin gespannt auf Deine Antwort. Nutze dafür gerne die Kommentarfunktion!
Und vielleicht bist Du ja sogar bei unserem Coffee and Grain Whisky Tasting dabei? Ich würde mich freuen!
Viele Grüße
Stefan | Whisky-Fakultät
Fußnoten
[1] https://www.scotch-whisky.org.uk/insights/protecting-scotch-whisky/legal-protection-in-the-uk abgerufen am 7.2.2022, Infobox [zurück zur Textstelle]
[2] Der Name stammt ursprünglich von der “Irish Business and Employers Confederation”, die 2016 in Ibec als Eigenname ohne weitere Bedeutung umbenannt wurde – ein sogenanntes “Orphon Acronym” (engl. Waisenakronym). [zurück zur Textstelle]
[3] https://www.scotch-whisky.org.uk/media/1275/scotch-whisky-categories.jpg abgerufen am 7.2.2022, Infografik “Scotch Whisky Definitions” der SWA (JPG-Format) [zurück zur Textstelle]